Eine goldene Zukunft für die Wiese
Golden strahlte die Wiese im Schein der untergehenden Sonne. Schon lagen dunkle Schatten auf den Felswänden der Berge im Westen. Aber hier wärmte das Sonnenlicht die Felsen, die verstreut über der Wiese lagen. Auf einem von ihnen räkelte sich Murmeltier Max entspannt in der Sonne und wärmte seinen flauschigen Pelz. Es war schon ein sehr angenehmes Leben, das er hier auf der Bergwiese verbrachte. Ruhig, entspannt und um das Essen musste er sich dank seiner emsigen Eltern auch keine Gedanken machen. Es war fast schon zu ruhig. Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, da wurde die himmlische Ruhe plötzlich durch einen schrillen Pfiff durchbrochen. Sein Onkel Ottmar, heute mit dem Wachdienst betraut, hatte wohl Gefahr gewittert. Schnell verschwand Max mit den übrigen Murmeltieren im sicheren Bau. Während er aus der Öffnung herausspitzelte, sah er eine Gruppe Menschen, die die Wiese betraten. Max wunderte sich: für eine Wanderung war es doch schon reichlich spät. Außerdem sahen diese Menschen auch überhaupt nicht aus wie die typischen Bergsteiger, die hier oft auf der Suche nach einem Picknickplatz vorbeikamen. Diese Zweibeiner trugen Bezüge oder wie auch immer sie diese eleganten schwarzen Kleidungsstücke nannten und unter ihre Arme hatten sie dicke Aktenmappen geklemmt. Aufmerksam spitzte Max seine Murmeltierohren. Doch die Menschen waren weit entfernt und außerdem benutzten sie lauter sehr komplizierte Wörter. Aber das, was er mitbekam, beunruhigte ihn sehr. Die Menschen sagten irgendetwas von „Skigebiet“ und „Lifte“ und „Eventlocation“. Sein Verstand arbeitet blitzschnell. Hieß das etwa, die Menschen wollten hier, auf seiner Heimatwiese, ein Skigebiet errichten? Laute Lifte, planierte Wiesen und beständiger Tumult. Alarmiert berichtete er seinen Eltern von den Beobachtungen und den Schlüssen, die er daraus gezogen hatte. Auch den älteren und erfahreneren Murmeltieren wurde Angst und Bange. Es musste etwas geschehen um den perfiden Plan der Menschen zu stoppen! Und das hieß, eine Versammlung aller Alpentiere war unumgänglich. Am nächsten Tag war es schon soweit. Aus war es mit der Ruhe auf der Wiese, überall wuselten, krochen, flogen und sprangen Tiere umher. Und Max stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, er hatte ja schließlich die schlechte Nachricht, derer wegen sie sich alle versammelt hatten, aufgeschnappt. Steinbock Sepp stampfte mit seinem Huf kraftvoll auf den Boden und schlagartig kehrte Ruhe ein. Salamanderdame Sofie protestierte zwar heftig, da Sepps Huf fast auf ihrem Rücken gelandet wäre, aber ihr Rufen verhallte zwischen den übrigen Tieren. Nachdem Max mit seiner Erzählung fertig war, setzte große Unruhe ein. Aufgeregt gackernd rannten die Auerhühner auf der Wiese herum. „Hilfe, Hilfe, wir werden alle sterben!“ Die Bergdohlen sahen das anders: „Das ist doch super. Es werden Unmengen an Brotzeitresten für uns anfallen.“ Weil aber auch die Gämsen ganz klar gegen das Skigebiet waren, trieb Steinbock Sepp alle an über eine Lösung nachzudenken. Alle Blicke richteten sich auf Gämschen Klein. Sie hatte immer die besten Ideen und die übrigen Tiere verließen sich auf sie. „Denk nach, du schaffst das!“ motivierte Hanna Hase das junge Alpentier. Das kratzte sich konzentriert mit dem rechten Hinterhuf am Ohr. Gämschen Klein spürte die Last der Verantwortung auf seinen Schultern. Aber das war kein Grund, eine Gämse aus dem Konzept zu bringen Endlich erlöste Gämschen Klein die übrigen Tiere mit den Worten: „Ich habs!“
„Was hast du?“ „Los, erzähl!“ Und dann wurden alle in den genialen Plan eingeweiht.
Als die Menschen das nächste Mal auf die Wiese kamen, diesmal mit dicken Aktentaschen unter den Armen, erwartete sie eine Überraschung. Friedlich grasend stand eine Gruppe Gämsen vor ihnen. Zwischen diesen pickten die Birkhühner auf dem erdigen Boden. „ Ja was ist denn hier los, was machen denn die ganzen Tiere hier?“ Verduzt kratzte sich der dicke Mann, der der Bürgermeister des Talortes war, an der kahlen Stirn. Ausgerechnet heute, wo der Vertreter des Umweltbundesamts zu Besuch war um zu prüfen, ob seine Behörde das Skigebiet zulassen würde. „Wenn hier so viele Tiere leben, kann man doch kein Skigebiet hier errichten.“ Der Herr vom Umweltbundesamt sprach diese bangen Worte aus. Dabei hatten sie die größte Überraschung noch gar nicht erlebt, doch jetzt war auch der Moment dafür gekommen. Plötzlich tauchte noch ein Wesen zwischen den Kräutern auf: Es war der Wolpertinger. Mit sehr viel Überzeugungskraft hatte Gämschen Klein ihn überredet, beim Plan der Tiere mitzuwirken. Und wie erstaunt waren die Menschen nun, als plötzlich der sagenumwobene Wolpertinger vor ihnen auftauchte.
Frustriert warf der Bürgermeister seine Schirmmütze auf den Boden. Der Mann vom Umweltbundesamt sprach aus, was alle dachten: „Die Erlaubnis für das Skigebiet bekommen sie nie, wenn hier sogar ein Wolpertinger lebt, dann müssen wir diese Wiese als Naturschutzgebiet ausweisen und zur Erforschung für den Wolpertinger freigeben. Apropos… Wo ist er eigentlich?“ Inzwischen war das Fabelwesen tatsächlich wieder verschwunden. Und genauso verschwanden auch die Menschen wieder aus dieser Idylle. Das Skigebiet war Geschichte und die Zukunft sah golden für die Tiere aus. Mit Jubel stürmte Max aus dem Murmeltierbau: Seine Ruhe war gerettet! Aber vorerst einmal kam Max noch nicht zur ersehnten Entspannung. Die ganze Nacht hindurch feierten die Tiere auf der Wiese ein großes Fest, aber ohne Lärm und Abfall. Sie feierten bis die Sonne golden über die Rücken der Berge blinzelte. Dann kehrte endlich wieder Ruhe ein und die Wiese lag friedlich im Licht der Sonne. Und wenn ihr nichts passieren wird, wird sie noch auf Ewigkeiten Lebensraum für Murmeltiere bieten.