Gesellschaft auf der Landstraße
Es war ein frostiger Adventsabend, und die schneebedeckten Straßen des kleinen Dorfs glitzerten im Licht der Leuchtsterne und Engel, die über den Häusern schwebten. Kalaschna ließ das fast schon kitschige Dorf hinter sich und fuhr im alten Familienkombi die Landstraße entlang, beladen mit frisch gebackenen Plätzchen, die sie ihrer Großmutter bringen wollte. Der Duft von Zimt und Vanille füllte das Auto, und leise summte sie „Stille Nacht“, während sie die Kurven meisterte. Der Winterabend war perfekt – bis sie die Gestalt auf der Straße sah.
Ein plötzlicher Schatten tauchte vor ihr auf. Kalaschna trat panisch auf die Bremse, doch der Wagen geriet ins Schleudern. Mit einem dumpfen Schlag prallte sie gegen eine Schneeverwehung und kam schließlich zum Stehen. Ihr Herz raste, und ihre Hände zitterten, als sie den Sicherheitsgurt löste. Was war das gewesen? Ein Reh? Ein Mensch?
Sie stieg aus und blickte sich um. Im Licht der Scheinwerfer stand jemand – oder etwas. Es war ein Mann, aber seine Haut war gräulich, und seine Bewegungen wirkten ungelenk. Sein leises Stöhnen war nicht menschlich. Kalaschna spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. War das ein… Zombie?
„Hallo? Geht es Ihnen gut?“ fragte sie vorsichtig, obwohl sie bereits ahnte, dass die Antwort nicht positiv ausfallen würde. Der Mann drehte den Kopf zu ihr, seine glasigen Augen fixierten sie. Dann setzte er sich in Bewegung – direkt auf sie zu. Mit festen Schritten dem Ziel entgegen, das sie selbst war.
Kalaschna wich zurück. Ihr Blick fiel auf den Kofferraum des Autos, wo ihr Vater, ein begeisterter Hobbyhandwerker, eine alte Kettensäge aufbewahrte. Ohne lange nachzudenken, öffnete sie den Kofferraum und zog die schwere Maschine heraus. Sie hatte keine Ahnung, wie man sie benutzte, aber sie war bereit, sich zu verteidigen.
Der Zombie kam näher, sein Stöhnen wurde lauter. Kalaschna zog nervös am Starter, immer wieder. Ihr wollte schon fast der Arm abfallen und endlioch, nach ein paar Rucklern, begann die Kettensäge zu brummen. Der Lärm hallte durch die stille Nacht, und der Zombie blieb plötzlich stehen. Seine glasigen Augen weiteten sich, und er begann zurückzuweichen. Kalaschna erkannte ihre Chance und machte ein paar mutige Schritte nach vorne.
„Zurück!“ rief sie, ihre Stimme bebend, aber entschlossen. Zu ihrer Überraschung gehorchte das Wesen. Es humpelte zur Seite und verschwand schließlich in der Dunkelheit des Waldes. Kalaschna stand zitternd da, einzig das gleichmäßige Dröhnen der Kettensäge wirkte beruhigend und hielt ihren Schrei zurück.
Nach einigen Minuten schaltete sie die Maschine aus und atmete tief durch. Die Gefahr schien gebannt, aber ihr Wagen steckte immer noch in der Schneeverwehung. Gerade, als sie überlegte, was sie tun sollte, hörte sie Schritte hinter sich.
„Alles in Ordnung?“ fragte eine tiefe Stimme. Es war Lukas, der Nachbar ihrer Großmutter, der ebenfalls auf dem Weg ins Dorf war. Er hatte den Unfall gesehen und war angehalten, um zu helfen.
Kalaschna erzählte ihm hastig von der Begegnung mit dem Zombie. Zu ihrer Überraschung lachte Lukas. „Das war vermutlich nur Harald. Er ist ein bisschen… anders. Lebt allein im Wald. Aber Zombies? Nein, der ist harmlos.“
Kalaschna war skeptisch, aber froh, nicht allein zu sein. Gemeinsam schoben sie den Wagen aus der Schneeverwehung. Lukas bot an, sie bis zur Häuserreihe zu begleiten, und sie akzeptierte dankbar. Als sie schließlich bei ihrer Großmutter aufschlugen, war der Duft von frisch gebackenen Plätzchen und Tannengrün die perfekte Belohnung für den chaotischen Abend. Die Großmutter freute sich übrigens sehr über die Plätzchen, die Kalaschna ihr mitgebracht hatte.
Während sie am Kamin saßen und heißen Kakao tranken, dachte Kalaschna über den Zombie nach. Vielleicht war es wirklich nur Harald. Aber eines wusste sie: Der Advent hatte ihr eine Geschichte beschert, die sie niemals vergessen würde. Und trotz allem – oder vielleicht gerade deswegen – war es ein gelungener Abend.